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Umbriatico
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In der Einsamkeit angekommen: Umbriatico gehört zu den noch wirklich vergessenen und einsamen Gegenden Kalabriens. Dabei war Umbriatico jahrhundertelang Bischofsstadt und besitzt deshalb eine bemerkenswerte Kathedrale.

Freitag mittag

An einem Freitag Nachmittag im August 2011 fahre ich von Cirò Marina aus mit dem Bus nach Umbriatico. "Richtung Pallogorio" steht auf der Anzeigetafel des Busses. Der ROMANO-Bus kommt aus Crotone und hält in Cirò Marina zweimal: Am großen Kreisverkehr gleich bei der Abfahrt von der SS (Staatsstraße) 106, unter der Straßenbrücke, rund 300 m vom Bahnhof Cirò Marina entfernt, und an der Piazza Kennedy in der Innenstadt von Cirò Marina.

Zunächst führt die Straße durch die Weinberge um Cirò und Ciro Marina. Kaum vorstellbar, dass in dieser Einsamkeit ein Ort kommen wird. Nach der Abzweigung der Straße nach Carfizzi und San Nicola dell'Alto schlingt sich die Straße um einzelne Bergkuppen herum und gibt schließlich den Blick frei nach unten auf den von schroffenen Abhängen umgebenen Ort Umbriatico.

Tatsächlich ist der Ort genial gewählt in einer Zeit, in der vom Meer her schon jahrhundertelang Piraten und Sarazenen in die Küstenebenen eingefallen sind. Weil aber die Küste wegen der Malaria unbewohnt war, zogen die Küstenbewohner in die Dörfer auf den Hügeln und im Landesinnern. Umbriatico war auf zwei Seiten durch abschüssige Hänge zu Flusstälern hin abgeschirmt.

Kurz vor dem Ort überquert der Bus eine Brücke, die mit vielen kleinen Säulen verziert ist. Die Einfahrt in den Ort erfolgt dann über die für den Ort lebenswichtige Brücke mit ihren 9 Bögen. Auf der Piazza angekommen wartet Caterina und führt mich zum Quartier. Es ist ein Haus, das den Jugendlichen einer der beiden Freiwilligenorganisationen im Ort von der Gemeinde als Treffpunkt zur Verfügung gestellt wurde. Zum Abendessen gibt es Pasta, Oliven, Thunfisch, gedünstete Zucchinischeiben in Öl, Wein, bis auf den Thunfisch alles aus eigener Produktion von Caterinas Familie.

 

Cari amici di Umbriatico,
grazie per questi tre giorni nel vostro bellissimo paese e per l'ospitalità che mi avete resi!
Thomas Raiser


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Mit dem Bau der Straße von Cirò nach Umbriatico wurde 1914 begonnen; vollendet wurde sie 1925 mit Gesamtkosten von rund 24 Millionen (Euro?).
Ein Werk, das nicht nur den Bewohnern von Umbriatico, sondern auch denen der umliegenden Dörfer Arbeit und Brot brachte. Bis zu rund 800 Arbeiter waren am Bau beschäftigt
.

   

(Aus www.crotoneturismo.it)

Statistisches
Umbriatico gehört zur Provinz Crotone und liegt 63 Km von der Provinzhauptstadt Crotone entfernt.
2010 zählt Umbriatico rund 973 Einwohner (Umbriaticesi) auf einer Fläche von 72,6 km2, das bedeutet eine Bevölkerungsdichte von 13,40 Einwohner pro Km, die geringste von allen Orten weit und breit.
Von 1991 bis 2001 hat sich die Bevölkerung von 1302 auf 973 verringert, also um ein Viertel.
Die Einwohner verteilen sich auf 336 Familien. Der Ort liegt auf 422 m HüdM. Er umfasst Höhen ü.d.M. von 60 bis 709 m. Haupterwerbszweig ist die Landwirtschaft, vor allem Viehzucht (1700 Rinder), Getreide und Öl.

Umbriatico in Geschichte und Gegenwart
Umbriatico ist ein kleines Zentrum des krotonesischen Hinterlands und hat antike Wurzeln, insbesondere bei den Enotriern. Sein Name hat immer wieder gewechselt und hat sich aus Bristacia zu Euria bei den Griechen und zu Ebriatico bei den Römern herausgebildet.
Auf einem Felsausläufer hingebettet, auf den östlichen Ausläufern des Sila-Vorgebirges,
ist es von beeindruckenden Felsvorsprüngen umgeben.

Wie eine mittelalterliche Burg, die sich an einen Felssporn klammert, so erhebt sich Umbriatico, sicherer Zufluchtsort für alle, die früher einmal auf der Flucht vor Invasoren und Briganten waren.
Dieser Ort, eine wirkliche Felsenfestung, ist mit der Umgebung verbunden durch einen Viadukt, der zum geschichtlich bedeutsamen Berg Tigano führt, wo verschiedene Ruinenreste an die Mauern erinnern,
die von Hannibal Barkas und von den Bruziern errichtet wurden (215 v.Chr.). Umbriatico, Erbin der groß-griechischen Stadt Bristacia (700 v. Chr.) und (vielleicht/Anm.) der Bischofsstadt Paternum (431) wurde die natürliche Festung der Bruzier, die sich an die Seite Hannibals gegen die blutdürstigen Römer stellten.

  "Auf einer sanft abfallenden Anhöhe, die sich zwischen gähnenden Abgründen erhebt, liegt Umbriatico, Erbe der groß-griechischen Stadt Bristacia (700 vor Chr.) und der Bischofsstadt von Paternum. (431). Um Umbriatico zu erreichen folgt man der Provinzstraße, die Cirò mit Torre Passo verbindet."
 
 

Die Pforten
Zwei Tore dienten früher einmal als Wachtürme und Zollstationen. Ihre Errichtung dürfte auf das 16. – 17. Jahrhundert zurückgehen. Eine der beiden liegt nahe dem Rione Castello, dort, wo heute die Brücke mit den neun Bögen ist. Dort war früher ein befestigtes Tor und eine Zugbrücke. Das Tor wurde beim Bau der Brücke abgetragen; Reste der Mauer mit Schießscharten erstrecken sich noch gut sichtbar weit bis ins Tal hinab.Die andere Pforte befindet sich noch heute auf der gegenüberliegenden Seite, aber außerhalb des Ortes. Geht man am anderen Ende des Ortes bei der Kirche S. Maria abwärts, dann gelangt man nach rund einem Kilometer zur alten burgartigen Pforte Fortino, die den Weg hinunter ins Tal freigibt oder versperrt.Dieser Zugang von Süden her (Porta Canalicchio bzw. Fortino) wurde in den 80erJahren des 20. Jahrhunderts restauriert.
Während der Zeit des Brigantentums, auf den Türmen der Torfestungen und bei den Seilwinden über den Abhängen zogen Wachen auf. Alle halbe Stunde vom Turm des befestigten Tors vom Castello, auf Befehl des Hauptmanns des Wachkorps, ertönte der Ruf: „Wachen aufgepasst!“. Und von den verschiedenen Wachposten um das Dorf herum ertönte einer nach dem anderen mit der Antwort „Ich habe acht!“, bis dieser Ruf –wieder beim Hauptmann anlangte, nachdem er um die ganze Befestigung herumgegangen war. Wenn der Ruf nicht den ganzen Kreis durcheilte, war das ein Signal, dass irgendwo eine Wache eingeschlafen war oder sich aus anderen Gründen entfernt hatte, und man sandte einen Trupp los, um die Wachposten zu inspizieren. Mit diesem Ruf wollte man die Angreifer auf Distanz halten.

 

"Auf einem östlichen Ausläufer der Sila Grande am Rand einer bis zu 40 Meter tiefen Schlucht gelegen, leben hier die wenigen Alten, die sich tagaus tagein vor der Bar an der (ehemaligen) Kathedrale treffen,
in der ständigen Sorge, dass die verwegen hohe Brücke, die einzige Verbindung über die Schlucht
zur 'Außenwelt' beim nächsten Erdbeben einstürzen könnte."

(Ekkehart Rotter, DUMONT-Kunstführer
Kalabrien-Basilikata S. 211)

 

Einer der zwei alten Zugänge: Die Porta Fortino, etwa einen Kilometer unterhalb des Ortes
 
Die Kathedrale von S. Donato
In einem ersten Zeitabschnitt wurde eine Kirche errichtet auf der Grundfläche eines heidnischen Tempels, und zwar vom ersten Bischof von Paternum (436), von dem man den Namen nicht kennt (Anmerkung: Das und auch das Folgende stimmt nach neuesten Forschungen wohl nicht mehr, siehe E. Rotter). Verwendet wurden Säulen und anderes Material aus der nahen Umgebung.
Zur Zeit des Bischofs Theodoret, Bürger von Paternum, wurde die Kathedrale in Form eines lateinischen Kreuzes errichtet, angelehnt an die erste Kirche, dem ex-Tempel, und diese wurde umgewandelt in eine Krypta, über der nun das Querschiff liegt.
Den Beweis dafür liefert ein aufgefundener Stein, eingemauert über einem der Bögen über einer Wand der Kathedrale, auf dem in altgriechischer Schrift steht: "Tempel erbaut von Bischof Theodor", heute in der wiederhergestellten Kirche zu sehen.
 
  Von der Aussichtsseite der Piazza an der Außenwand der Kathedrale her, auf dem
Niveau des ersten Erdgeschosses, auf dem
die Ex-Kathedrale gelegen war, wurde ein
großes Wasserreservoir angelegt als Vorratsbecken in Zeiten der Invasion
(vor allem der sarazenischen, die sich
in Wellen bis hin zur gesamten Besetzung
von Süditalien ereignete). In diesem Becken wurden später die exhumierten Knochen der Verstorbenen aus den Gräbern in der Kirche beigesetzt. Später, auf napoleonische
Anweisung, wurden die Behälter mit Erde aufgefüllt und wurden zum Friedhof.
Als man die neue Fahrstraße errichtet,
zerstörte man den Behälter, und es blieb
nur noch ein Rest entlang der Außenwand
der Kirche übrig.

oben: Eingang der Kathedrale, mit Bischofswappen

rechts: Das Mittelschiff der Katehdrale

rechts unten: Der Campanile (Glockenturm)

 
Im 11. und 12. Jahrhundert wurden zwei Seitenschiffe angefügt und die Kirche zum lateinischen Kreuz ausgebaut.
Im Jahr 1610 wurde die Kathedrale restauriert durch Bischof Sammarco. Nach und nach ließ Bischof Loierio seitlich der Apsis zwei Baukörper errichten, um darüber zwei Kapellen zu gewinnen, seitlich des Hochaltars, sowie zwei Gräber, unter der Ebene der Krypta, eines für den Bischof bestimmt und eines für die Priester.
Andere Renovierungen wurden vorgenommen durch den Bischof von Umbriatico und Cariati, Mons. Golia (1839-1873).
Die jüngsten Restaurierungsarbeiten, nach 1950 vorgenommen, sollten vor allem die alten Kunstwerke wieder zur Geltung bringen, die Kirche wurde dabei aber von vielen schmückenden Kunstwerken entkleidet, was wohl nicht allgemein akzeptiert war.
Carlo Buzzoni schreibt in „Calabria Normanna – Saggi di storia della architettura“
Im Zusammenhang mit der Restaurierung wurde der Hochaltar mit polychromem Marmor (1739), im Verzeichnis der Monumentalbauwerke von Martelli erwähnt, in seine Glieder zerlegt, aber nicht wieder zusammengesetzt.

 
Aktuell: Mit Mitteln der EU ist geplant, historische Gegenstände aus der Kathedrale in einem Museum zu zeigen. (Sommer 2011)   Die Krypta
419 Jahre nach dem Verschwinden der Diözese Paternum, gab es 1099 den ersten Bischof von Umbriatico namens Rainaldo, und bis 1818 folgten ihm insgesamt 65 Bischöfe, inklusiv zwei Kardinäle: Piccolomini und Fieschi, der letztere ein Verwandter der gleichnamigen Heiligen Caterina von Genua.
Im Verzeichnis der Bischöfe, erstellt im Zusammenhang der von Bischof Loierio einberufenen Diözesansynode in Umbriatico, gibt es einige Lücken, weshalb man annimmt, dass die Anzahl der Bischöfe höher war, auch weil die Bischöfe aus der Zeit nach der sarazenischen Besetzung bis zum ersten Bischof von Umbriatico nicht mitgezählt wurden.
Zur Diözese von Umbriatico gehörten Cirò, Crucoli, Melissa, Carfizzi, Sa. Nicola dell’Alto und Zinga.
Von den Bischöfen der Diözese stammen einige aus Umbriatico, außer Theodoret und Abundanzio noch Rainaldo, Gervasio, Roberto, Pellegrino, und Michele Perista. Außerdem tauchen auf: Bernardo Piccolo Bischof von Strongoli e Guglielmo Giuranna, Bischof von Cerenzia, so erinnert. Giov. Maria Tria, nicht zuletzt erwähnt im " Calandario d'Oro dell'Araldica Italiana" (1900) – insgesamt neun also.


PATERNUM
ist eine antike Ortsbezeichnung, die nie wirklich einem heutigen Ort zugeordnet werden konnte. Immerhin gibt es eine Gegend dieses Namens östlich von Umbriatico, oberhalb des linken
Ufers des Flüsschens Lipuda, dem Meer zu.

 
unten: Die Reste des Hochaltars, der bei der Renovierung zerlegt wurde und nun wieder neu errichtet werden soll.   Kacheln mit Bildmotiven auf dem Fußboden des Altarraums der Kathedrale
 
 

 

  oben: Sakristei, gleichzeitig Pfarrbüro mit Don Lorenzo
unten: Statue von San Donato in der Krypta
Der heilige Donatus
Im Jahr 885 n. Chr. wurden im Zusammenhang mit der byzantinischen Okkupation von Kalabrien unter Niceforo Foca die Sarazenen aus Umbriatico vertrieben, wo sie seit geraumer Zeit wohnten und einen militärischen Stützpunkt unterhielten. Ähnliches geschah in vielen anderen Städten Kalabriens, und dabei wurde in der Regel in den byzantinischen Kirchen die Verehrung der ostkirchlich-orientalischen Heiligen gefördert.
Umbriatico hatte als erste Patronin di S. Maria Assunta (Maria, die in den Himmel augenommen wurde) und als Co-Patron den heiligen Donatus, Bischof von Euria und besonderen Wundertäter, auch weil ein großer Teil der Soldaten des Niceforo Epiroti (Albaner) waren, und weil eine Gruppe von Soldaten mit ihren Familien die Aufgabe hatten, das alte Bistacia wieder mit Leben zu füllen.
Wie bei den Albanern üblich, wollte man nun der neuen Christenstadt einen neuen christlichen Namen geben, und so nannten sie den Ort 'Shen DONATI nga Euria', oder einfach „Euria“ bzw. „aus Euria“, daraus wurde dann „Euriaton“ oder „Euriatensis“ oder Evriatensis“, und schließlich hieß der Ort Umbriatico.


 

Silberbüste von S. Donato in der Kathedrale

"Seine wirkmächtige Fürsprache, zusammen mit der heiligen „Vergine Assunta“ möge weiterhin schützend wirken und den Glauben seiner Kinder im neuen Euria bzw. Umbriatico reifen lassen, die im Wiederentdecken ihres großen Patrons und ihrer weit in der Antike liegenden Ursprünge sich immer mehr untereinander und mit allen Völkern geschwisterlich verbinden mögen."

Natürlich gibt es auch hier eine Legende über die wunderbare Rettung der Statue vor Diebstahl: San Donato wurde den Dieben untragbar schwer, so dass sie beschlossen, ihn in die Kirche zurückzubringen.

 

Das Leben des heiligen Donatus ähnelt,
was die Wunder betrifft, die Bischofswürde
und die Epoche, in der er lebte, dem Leben
des heiligen Donatus von Arezzo, Bischof und Martyrer. Die Vita von beiden wurde wohl willentlich vermischt durch die lateinisch-normannischen Bischöfe von Umbriatico, um mit aller Kraft die lateinische Ausrichtung der Stadt und der gleichnamigen Diözese voranzutreiben. (die ostkirchliche Liturgie in Umbriatico dauerte immerhin bis ca 1600).
Viele Wunder werden erzählt vom heiligen Donatus, Bischof von Euria und Wundertäter:
Mit dem Zeichen des Kreuzes soll er ein monströses Tier erschlagen haben, welches
das Vieh der Bauern mordete.
Eines Tages, als Donatus nach einer langen Reise durch trockene Gebiete einen
unmäßigen Durst hatte, ließ er eine reich strömende Wasserader aus der Erde
hervortreten allein dadurch, dass er betete
und mit der bloßen Hand die Erde aufgrub,
und das nahe dem Ort, wo später ihm zu
Ehren eine Kirche errichtet wurde.

Sein Fest ist am 30. April, wird aber
in anderen Quellen auch für den August
erwähnt.
S. Donatus von Euria starb um 387 n.Chr.
und wurde Patron von Epirus in Albanien.
Kaiser Justinian widmete ihm seine
Festungen. Man sagt, dass seine Reliquien
im Konvent Unserer lieben Frau auf der Insel Murano bei Venedig ruhen sollen (Biblioteca Sanctorum).


Samstag vormittag

Ich nehme um 9 Uhr an der heiligen Messe teil. Am Südende des Ortes sind ca 30 zum Teil sehr alte Frauen und ein Mann versammelt. Eine vergleichsweise jüngere Frau übernimmt die Rolle der Vorsängerin. Das Kirchlein Santa Maria delle Grazie liegt auf einem kleinen Plateau, das abgeschrankt und mit Bänken ausgestattet ist. Santa Maria war ursprünglich ein byzantinisches Kirchlein und ist mit hoher Wahrscheinlichkeit älter als die jetzige Kathedrale. Die rechte Mauer des Schiffs dürfte ursprünglich sein, die linke dagegen wurde entfernt, als die kleine Kirche erweitert wurde. Die Grabungsreste der linken ursprünglichen Mauer sind unter Glas am Fußboden zu sehen.
In der Apsis, die in dem alten Kirchlein fast die Breite des Schiffs hatte, sind die Reste eines Marienfreskos im byzantinischen Stil zu sehen; das Gesicht der Madonna ist gut erhalten und beeindruckend. Pfarrer ist Don Lorenzo, seit 5 Jahren in Umbriatico und aus dem Kongo stammend. Seine Arbeit über die Folgen der Globalisierung für Afrika ist fertig; nun ist er darangegangen, eine Ortsgeschichte über Umbriatico zu schreiben. Ich verabrede mich mit ihm für Sonntag, wenn er nach Pallagorio und Verzino zu den Gottesdiensten fahren wird.

 

 
 
Links und beide Bilder oben: Die Kirche S. Maria

Nach der Messfeier gehe ich von Santa Maria aus Richtung Tal, "Il Canalicchio" genannt. Dort soll ja die Porta Fortino sein. Ich nehme die Betontreppe, die durch Stallanlagen zum Sportplatz führt, als Abkürzung. Einige hundert Meter weiter auf der Straße aus Betonsteinen komme ich zu einem Bildstock, der wohl eine Stiftung aus den 70er Jahren ist. Davor steht ein gemauerter Altar.

  Wieder ein Stück weiter abwärts komme ich zur Porta Fortino, einem zweistöckigem Bauwerk (siehe "Die Pforten"). Wenige Meter später gelange ich zu einem schattigen Felsüberhang, an dem eine Quelle gefasst ist und ihr Wasser in eine Viehtränke speist. Das Wasser erscheint mir besonders gut. Nun wird der Weg abwärts steiniger, aber noch gut begehbar, sogar mit Sandalen. In Serpentinen führt er abwärts zum Flussbett des Flüsschens. Dort sind hinter der kleinen Brücke auf der rechten Seite einige Gärten, welche die Feuchtigkeit des Baches nutzen.
 
 
Ich gehe zurück zur kleinen Brücke und verfolge den Weg, der auf der Ortsseite flussabwärts das Flüsschen entlangführt. Einer der hier in der Landwirtschaft üblichen Raupenschlepper hat den Weg freigeschaufelt, was eine gute Tat war. Dadurch ist es möglich, bis zum natürlichen (aber künstlich angelegten) "Schwimmbecken" des Ortes zu kommen, das jetzt im Hochsommer ein grüner Algentümpel ist. Normalerweise hat es im Flüsschen angeblich auch Aale, die sich über die Trockenperiode halten können. Beim Weitergehen gelange ich zu den Resten einer der vielen alten Mühlen des Ortes, jetzt von Feigenbäumen überwachsen. Sie befindet sich gegenüber einer eindrucksvollen Felswand und einem wohl 30 Meter hohen aufrecht stehenden Felssporn mitten im Flussbett. Vermutlich und nach Aussage der Leute am Ort geht der Weg weiter flussabwärts und stößt weiter unten auf die Provinzstraße von Cirò nach Umbriatico.  
 

Auf dem Rückweg treffe ich bei der Quelle einen Mann um die 45 im roten Polohemd. Es ist Luigi, der Pedell - so nennt man in italienischen Schulen den Hausmeister, der für Sauberkeit und Ordnung sorgt und viele organisatorische Aufgaben in der Schule übernimmt. Für ca 25 Kinder der Scuola Elementare und Scuola Media gibt es rund 7 Lehrerinnen und Lehrer. Luigi ist Vater von vier Söhnen. Ihm ist wichtig, dass sie nicht fortgehen müssen, weil sie keine Arbeit finden. Einer der Söhne montiert bei der Quelle gerade an seinem Geländemotorrad herum. Er ist 19 und hat Bäcker gelernt, arbeitet im Ort. Luigi hat die Bäckerei als weiteres Standbein, um zu überleben Ein anderer Sohn ist Friseur ebenfalls in Umbriatico, ein weiterer studiert an der Universität. Luigi nimmt mich mit hoch in den Ort. Das Wochenende naht, ich kaufe in einem der zwei Läden ein, die es gibt.

 



Die Schule von Umbriatico








Unten: Abendessen aus heimischen Produkten

In einem Dorf wie Umbriatico ist es wichtig, dass sich die wenigen Jugendlichen organisieren. Associazione Volontariato nennen sich die Gruppen von jungen Erwachsenen, die sich nicht nur zur Unterhaltung treffen, sindern auch zum kulturellen und sozialen Leben des Ortes viel beitragen. In Umbriatico gibt es zwei solcher Vereinigungen. Die Gruppe, zu der Caterina gehört, beteiligt sich beispielsweise an der jährlichen Freizeit für alte und behinderte Menschen im Haus der Diözese Crotone, das sich ganz in der Nähe in Palliatico befindet. Rund 10 junge Leute kochen eine Woche lang, sorgen für Erholung. Programm und Ausflüge für die 20 Teilnehmer. Ansonsten trifft man sich zum Video-Schauen, gemeinsamen Kochen usw. Das scheint einfach, dennoch: Es gibt eine Konkurrenzsituation mit dem andern Verein am Ort. Wie die meisten Dörfer ist auch Umbriatico gespalten: Ob es politische Unterschiede gibt, ob alte Streitigkeiten zwischen Familien im Raum stehen, ob es um die besseren Beziehungen zu Provinz und Region geht, die der Familie oder dem Ort nützen sollen - es gibt immer Familien, mit denen man weniger zu tun haben möchte und solche, mit denen man sich gut versteht.
Eine einigermaßen übergeordnete Rolle scheint der Priester zu haben, vielleicht auch der Bürgermeister, der aus dem Ort kommt, Tierarzt ist und in Cirò Marina lebt.
Die Familien mit jugendlichen Kindern machen sich Gedanken, wie der Ort eine Zukunft haben könnte. Es gibt Ideen, auch im touristischen Bereich, wie mit überschaubarem Aufwand Möglichkeiten der Bewirtung und Übernachtung von Gästen geschaffen werden könnten. Mit der Kathedrale und der besonderen Lage, der Stille ringsum, den heimischen Produkten hätte der Ort keine schlechten Chancen.
Zum Abendessen gibt es Pasta mit kleinen Fleischstückchen, gefüllte Aubergine, in Öl und Limone gedünstete grüne Bohnen, alles aus eigenem Anbau.
Ein abendlicher Spaziergang führt mich zufällig zu Familie Santoro, zwei Tage zuvor hatte die Tochter des Hauses Hochzeit.Vom Fenster der Wohnung schauen wir auf die andere Talseite, wo früher vermutlich die kleinen Kirchlein S. Caterina und S. Stefano als Mittelpunkt der dortigen Felder und Weiden gestanden haben. Die Mühlen, so erinnert sich Giuseppe Santoro, seien noch bis in die 50erJahre des 20. Jahrhunderts in Betrieb gewesen.

   

Santo Stefano

In seinem Buch  "Umbriatico - storia, memorie, religiosità di una comunità calabrese" schreibt Pfr. Lorenzo Mbale Imani auf S. 93 über das frühere basilianische Kloster S. Stefano, etwa einen Kilometer vom Ort (Luftlinie) entfernt:
S. Stefano war bis 1600 ein basilianisches Kloster, gestiftet von Normannenkönig Roger II, von Wilhelm I. bestätigt. 1182 gehörte es zu S. Adriano in S. Demetrio Corone.

Heute hat im ehemaligen Klosterbereich ein landwirtschaftlicher Betrieb seinen Sitz. Vom alten Kloster blieb ein großer Gerbäudekomplex erhalten mit einem Altar mit einer Statue des hl. Stefanus. (Die derzeitigen Eigentümer wollten - entgegen dem Willen verschiedener Pfarrer - die Statue im Haus behalten). Das Gebäude, das von weitem klein erscheint, besitzt Zimmer auf mehreren Ebenen, eines davon mit Herd mit allen alten Ausstattungsstücken, einer Kapelle im obersten Stock, wo hinauf die Mönche zum Gebet gingen, Lagerräume, Säle, und nicht zuletzt eine alte Ölmühle, die wohl schon dem Kloster zum Unterhalt diente. Die Eigentümer würden sich freuen, wenn das Gebäude restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würde. Es ist das einzige erhaltene Kloster in Umbriatico und wohl eines der wenigen erhaltenen basilianischen Klöster überhaupt.

 
 

Sonntag

Um halb neun fahre ich mit Don Lorenzo nach Verzino. Im Gottesdienst dort sind fast nur Frauen. Der Priester ist in Ferien, deshalb hält ein afrikanischer Seminarist die Stellung. Die zweite Messe ist um elf Uhr in Pallagorio, einem ursprünglich albanisch geprägten Ort. In der Kirche erinnert an die ostkirchliche Tradition aber nur noch das griechische Kreuz auf einem Parament sowie ein buntes Glasfenster am Eingang. Ortsschild und Straßennamen sind zweisprachig. Vor der Kirche in Pallagorio wurde vor kurzem ein weiter Platz mit guter Aussicht aufs Land angelegt.

 

Abendessen ist bei den Eltern von Caterina. Spezialität: Von der Oma selbstgemachte Maccheroni a Ferretti, Nudeln, bei denen der Teig um eine Stricknadel gewickelt wird. Salat, Melone, alles eigene Produktion.
Am nächsten Morgen nehme ich den Bus um 5 Uhr, habe um 6.05 Anschluss nach Camigliatello/Cosenza, und bin um 8 Uhr in Camigliatello, um dort wenigstens einen Tag an der "Woche der kalabresischen Kultur" teilzunehmen.

 

BILD-IMPRESSIONEN AUS UMBRIATICO

 

 

 
  Links oben: Rathaus von Umbriatico, ein Palazzo aus dem 18. Jahrhundert, ursprünglich der Familie Giuranna gehörend

Links: Mit Caterina vor der Bar ihrer Familie

Links unten: Gemütliche Runde vor dem Tabakgeschäft

Unten: Im Tal bei den Resten einer der alten Mühlen
 

Einsiedelei Santa Domenica

Das Bauwerk wurde von den Bischöfen von Umbriatico im Wald errichtet. Dorthin begaben sich vor allem die Priester und Ordensleute, die in der Einsamkeit beten und Buße tun wollten. Mit der Zeit wurde daraus ein Pilgerort, der heiligen Jungfrau vom Berge Karmel (Vergine del Carmelo) gewidmet.
Als 1818 die Diözese Umbriatico zu bestehen aufhörte, kümmerte sich niemand mehr um den Ort und er verfiel. Die Familie Giuranna kaufte den Platz und stellte das Kirchlein im alten Glanz wieder her. Dort sind der Bischof Isidoro Leggio und der junge Andrea Giuranna begraben.

 

Umbriatico - Bristacia
Hannibals Basis im Zweiten Punischen Krieg

Das Gebiet von Umbriatico ist schon seit der vorgriechischen Zeit bekannt. Es handelt sich um „Chonia“, eine Ortsbezeichnung, die heute nur noch die an archäologischen Funden reiche Zone „La Cona“ benennt, und Gebiete der heutigen Gemeinden Umbriatico, Pallagorio, Verzino und Savelli einschließt.
Um 700 v. Chr. gründeten dann griechische Kolonisten aus Crotone den Ort Bristacia.
Nordöstlich des heutigen Umbriatico befindet sich ein ganz enger Felsabschnitt, auf dem ein großer Viadukt mit 9 Pfeilern errichtet wurde, der Umbriatico mit den Hängen des geschichtsträchtigen Monte Tigano verbindet, wo sich verschiedene Monumente befinden, die gemeinsam von Hannibal Barkas und den Bruziern im Zusammenhang mit dem Zweiten Punischen Krieg errichtet wurden (215 vor Chr.). Diese Ruinen (Mauern des befestigten Verteidigungsrings) beginnen am Rand eines Abgrunds und folgen dann dem Verlauf des Bergrückens bis auf den Gipfel, wo noch ein Becken zum Sammeln des Regenwassers zu sehen ist. Früher gab es eine Fortsetzung auf dem gegenüberliegenden Hang bis zum Grund des Flüsschens Bono, das sich zwischen den Felsabstürzen hindurch windet.

Die Bruzier waren entrüstet über die Anmaßungen der Römer, die in dieses traditionelle Gebiet einfielen, um bei ihren Beutezügen junge Männer fortzuschleppen, die dann zum Dienst auf den römischen Galeeren gezwungen wurden. Sie verbündeten sich mit Hannibal, und Bristacia, die natürliche Bastion, wurde zu ihrer Festung gegen Rom. Im Jahr 213 vor. Chr. nahmen die Bruzier den Römern Crotone fort, unterstützt wurden sie dabei vom karthagischen General Annon, und so öffnete Hannibal die Pforten zum Meer Richtung Karthago. Zur gleichen Zeit marschierte ein römisches Heer unter Führung von Lucius Pomponius auf Bristacia zu, wurde aber von der Besatzung in die Flucht geschlagen.
Von Bristacia aus brach Hannibal im Jahr 206 mit 3000 Reitern und 2000 Leichtbewaffneten auf, um den Soldaten des Claudius Flaminius das Leben schwer zu machen, der mit zwei Legionen von Taranto herunterkam, um die Truppen zu verstärken, die den wichtigen Hafen Locri belagerten. Bei Marina di Strongoli kam es am Fluss Neto zur Schlacht, bei der die Römer 2000 Gefallene und 1500 Gefangene zu beklagen hatten.
Von Bristacia brach Hannibal im Sommer 205 auf, um dem vom Prätor Flaminius belagerten Hamilkar Barkas in Locri zur Hilfe zu eilen.
Nach dem Fall Locris kehrte Hannibal hierhin zurück, und von hier brach er im Jahr 204 gegen die Truppen des Sempronius auf und drängte sie zurück auf das Gebiet zwischen Bristacia und Crotone.
Im Jahr 204 blieb Hannibal nichts übrig als das eingeschränkte Gebiet im Hinterland von Crotone.
Nach der Anweisung, Thurium zu zerstören, blieb Hannibal in der Festung von Bristacia in der Erwartung von Verstärkung.
Als Hannibal dann eines Tages unter Lebensgefahr nach Karthago aufgebrochen war, ständig bedroht von den Römern, fielen diese über Bristacia her, rissen die Mauern der Festung nieder, trieben Große und Kleine zusammen ohne Unterschied des Geschlechts, massakrierten sie auf der den Mauern der Festung vorgelagerten Ebene und überließen die Häupter der Getöteten den Geiern. Die Reste wurden nach und nach in Massengräbern verscharrt, die unlängst wieder entdeckt wurden beim Bau der Provinzstraße SP 85 von Perticaro nach Umbriatico. Die Reste der Festung sind erkennbar von der Provinzstr. SP 6 an den Abhängen des Monte Tigano.

Quelle:
http://www.comune.umbriatico.kr.it/index.php?
action=index&p=76

 


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